1. ESG Konferenz
Am 1. und 2. April 2022 veranstaltete das Institut für Unternehmens- und Kapitalmarktrecht (IUKR) seine erste internationale Konferenz zum Thema Environmental Social Governance (ESG).
Environmental Social Governance (ESG) ist ein in letzter Zeit vieldiskutiertes Thema, insbesondere im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht: Unternehmen werden zunehmend an ihrem ökologisch und sozial nachhaltigen Handeln gemessen. Die Gründe dafür sind vielfältig: gestiegene Anforderungen von Investoren an nachhaltige Investments, neue gesetzliche Initiativen in verschiedensten Ländern, auch in Deutschland und auf EU-Ebene, und schließlich die Diskussion um die Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Gesellschaft, die ein Umdenken in Sachen Nachhaltigkeit belegt. Daher beschloss Prof. Dr. Thilo Kuntz, LL.M. (University of Chicago), Geschäftsführer des IUKR, das Thema zum Gegenstand einer internationalen akademischen Debatte zu machen. Ursprünglich für 2020 geplant, musste die Konferenz aufgrund der Covid-19-Pandemie verschoben werden, konnte aber schließlich in einem Hybridformat stattfinden. Das Spektrum der internationalen Forscher und Redner reichte von Japan über Australien bis zu den Vereinigten Staaten und deckte verschiedene Rechtsgebiet ab, darunter Gesellschaftsrecht, Kapitalmarktrecht, internationales Strafrecht, Steuerrecht, Deliktsrecht und internationales öffentliches Recht.
Das Panel wurde durch eine Begrüßungsrede des Gastgebers, Prof. Dr. Thilo Kuntz, LL.M. (University of Chicago), eröffnet, gefolgt von der Präsentation seiner eigenen Forschung zu ESG und treuhänderischen Pflichten: Er stellte den Zusammenbruch der Dichotomie von Shareholder und Stakeholder fest und wies darauf hin, dass es nicht nur einen Prozess der Internationalisierung und Transnationalisierung des ESG-Rechts gibt, sondern auch eine Verschiebung von „soft“ zu „hard“ law, was – entgegen der landläufigen Meinung – zu einer Verringerung der Grenzen der Business Judgement Rule führt. Prof. Dr. Alain Pietrancosta von der Universität Paris I/Sorbonne bot im Anschluss eine französische Perspektive auf die Kodifizierung von CSR-Anforderungen im Gesellschaftsrecht und den europäischen Vorschlag zur Sorgfaltspflicht von Geschäftsführern (Directors), indem er kürzlich erlassene Rechtsakte zu CSR in Frankreich, insbesondere das Pacte-Gesetz, untersuchte und diskutierte. Der anschließende Vortrag von Prof. Andrew Johnston von der University of Sheffield befasste sich mit ESG und dem Engagement der Arbeitnehmer in Großbritannien. Er betonte die Bedeutung des Engagements der Arbeitnehmer als Teil der ESG und schlug den politischen Entscheidungsträgern vor, eine optionale Unternehmensform anzubieten, die die Beteiligung der Arbeitnehmer institutionalisiert. Der nächste Vortrag wurde von Senior Researcher Sergio Gilotta, LL.M. (Harvard University) von der Universität Bologna über grüne Anleihen gehalten. Er betrachtete das ESG-Thema aus der Sicht der Kapitalmärkte und zeigte die Entwicklung der Märkte für grüne Anleihen (green bonds) und die wichtigsten Triebkräfte für ihr Wachstum auf. Besondere Bedeutung wurde dem Problem des Greenwashings im Zusammenhang mit grünen Anleihen beigemessen, und es wurden Mechanismen zum Schutz vor diesem Problem erörtert. Im Anschluss daran hielt Dr. Kathrin Deckert von der Universität Paris Nanterre einen vergleichenden Vortrag über menschenrechtliche und ökologische Due Diligencepflichten und die Verantwortung in der Wertschöpfungskette unter Berücksichtigung der französischen, deutschen und europäischen Gesetzgebung. Der Beitrag führte zu einer regen Diskussion über die Frage, ob und inwieweit Unternehmen die verantwortlichen Akteure sein sollten, wenn es um Menschenrechtsverletzungen geht. Prof. Dr. Christine Osterloh-Konrad von der Universität Tübingen stellte anschließend eine steuerliche Perspektive auf ESG vor und kritisierte insbesondere die ESG-Rhetorik in diesem Bereich. Sie wies darauf hin, dass Unternehmen in Steuerfragen nicht als moralische Akteure wahrgenommen werden sollten und nahm daher eine eher ablehnende Haltung ein. Als virtueller Teilnehmer des Panels präsentierte Prof. Seth Davis von der University of California, Berkely School of Law, seine Forschung mit Hilfe von Zoom. Er gab einen Überblick über die Dialektik von Zivilklagen, sozialer Verantwortung von Unternehmen und Risikomanagement bei der Durchsetzung von Menschenrechten in den Vereinigten Staaten. Als letzter Redner des ersten Konferenztages zeige Prof. Masayuki Tamaruya, LL.M. (NYU) von der Universität Tokio, die Entwicklung und den aktuellen Stand der Diskussion über ESG in Japan auf. Dabei bot er eine Erklärung dafür, warum eine so große Volkswirtschaft erst so spät an der ESG-Bewegung teilgenommen hat und begründete, warum es Anzeichen für einen Wandel im Investitions- und ESG-bezogenen Verhaltensweisen gibt.
Der zweite Konferenztag wurde von Prof. Jennifer Hill von der Monash University und Dr. Tim Bowley, LL.M. (University of Cambridge) per Zoom eröffnet, die sich mit dem Phänomen des ESG-Stewardship befassten. Sie untersuchten die Beziehung zwischen den Stewardship-Kodizes für Investoren und der wachsenden Bedeutung von ESG-Stewardship in der Praxis. Prof. Sofie Cools, LL.M. (Harvard) von der Universität Leuven, sprach erneut aus kapitalmarktrechtlicher Perspektive und lenkte die Aufmerksamkeit auf die Details des ESG-Aktivismus.
Der anschließende Vortrag wurde von Prof. Dr. Jan Wouters von der Universität Leuven gehalten, der ESG-bezogene Fragen im internationalen öffentlichen Recht thematisierte. Er zeigte die Instrumente des internationalen Rechtsrahmens in Bezug auf ESG-Ansätze auf und erläuterte, wie diese das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Akteuren, informellen Akteuren sowie internationalen Organisationen sind. Prof. Cedric Ryngaert und Martine Jaarsma von der Universität Utrecht ergänzten das Panel um einen völkerstrafrechtlichen Blickwinkel. Sie untersuchten, ob internationale Unternehmen, die indirekt zu Menschenrechtsverletzungen beitragen, auf der Grundlage des internationalen Strafrechts belangt werden können. Am Beispiel der russischen Zentralbank und des Krieges zwischen Russland und der Ukraine sprachen sie sich für eine internationale strafrechtliche Haftung aus. Den Abschluss der Konferenz bildete der Vortrag von Prof. Dr. Andreas Engert, LL.M. (University of Chicago) von der Freien Universität Berlin, der sich mit ESG-Kennzahlen beschäftigte, mit denen sich die Exposition eines Unternehmens gegenüber einer Reihe von ESG-Risiken bewerten lässt.
Die internationale Konferenz führte zu lebhaften Diskussionen unter den Wissenschaftlern, die in einen intensiven rechtsvergleichenden Austausch über ESG-Themen mündeten und mehrere Rechtsbereiche abdeckten. Der Beitrag, den jeder der Redner als Grundlage für die akademischen Diskussionen vorbereitet hatte, wird Teil eines noch größeren Projekts werden: Eines internationalen Forschungshandbuchs zu Environmental Social Governance.