30. Vortragsabend des IUKR
Getrennt oder Gemeinsam?
Prof. Moloney (LSE) und Prof. Grundmann (HU Berlin) diskutierten über die Zukunft des Kapitalmarktrechts in Europa nach dem Brexit.
Das Institute für Unternehmens- und Kapitalmarktrecht der Bucerius Law School freute sich, am 5. Dezember 2022 Prof. Niamh Moloney und Prof. Dr. iur. Dr. phil. Stefan Grundmann, LL.M. zu einem Vortragsabend begrüßen zu dürfen. Beide Referenten lieferten eine tiefgreifende Analyse über die Zukunft des Kapitalmarktrechts in Europa nach dem Brexit.
Prof. Moloney beleuchtete die unterschiedlichen Entwicklungen auf beiden Seiten des Ärmelkanals nach dem Brexit. Während man zunächst glaubte, dass die Europäische Union nach dem Austritt des eher marktorientierten Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union noch strengere Vorschriften für Finanzdienstleistungen und Kapitalmärkte erlassen würde, haben die Entwicklungen in der Europäischen Union nach dem Brexit eine bemerkenswerte Verschiebung hin zu einem eher laissez faire-Ansatz gezeigt. Auf der anderen Seite des Kanals wurden von der britischen Regierung, die mit einem schrumpfenden Finanzmarkt im Vereinigten Königreich konfrontiert ist, weitreichende Reformen auf den Weg gebracht. Insgesamt ist bereits jetzt zu erkennen, dass sich die Regulierungssysteme im Vereinigten Königreich und in der Europäischen Union im Laufe der Zeit auseinanderentwickeln werden. Dies wird höchstwahrscheinlich zu einer Situation führen, in der die Europäische Union entscheiden muss, ob das Regulierungssystem im Vereinigten Königreich als gleichwertig mit den in der Europäischen Union erlassenen Vorschriften angesehen werden kann.
Prof. Grundmann konzentrierte sich auf die Entwicklung des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts in der Europäischen Union. Er betonte, dass sich die Intensität und der Fokus des europäischen Gesetzgebers im Laufe der Zeit verändert haben. Ab Ende der 1960er Jahre konzentrierte sich der europäische Gesetzgeber zunächst auf die Zuverlässigkeit von Unternehmen (Blackbox). In diesem Zusammenhang förderte die Europäische Union den grenzüberschreitenden Handel und grenzüberschreitende Niederlassungen, indem sie sich auf akademische Ansätze aus der Institutionenökonomie stützte. Später, in den 1990er Jahren, verlagerte sich der Schwerpunkt des europäischen Gesetzgebers auf die Beteiligung der Aktionäre (redbox). Sowohl der Black- als auch der Redbox-Ansatz lassen sich überwiegend dem Gesellschaftsrecht zuordnen. Seit den 2010er Jahren wird auf europäischer Ebene ein Greenbox-Ansatz verfolgt, der versucht, die Idee der sozialen Verantwortung von Unternehmen (CSR) zu fördern und nun einen besonderen Fokus auf Nachhaltigkeit legt. Mit diesem Ansatz wird versucht, das Kapitalmarktrecht als wirksames Instrument zur Förderung der Dekarbonisierung der Wirtschaft und zur Verbesserung der sozialen Bedingungen durch verschiedene Mittel, insbesondere durch Offenlegungspflichten, einzusetzen.
Nach einer Diskussion mit Prof. Moloney und Prof. Grundmann wurde der Abend mit Brezeln und Wein abgeschlossen.