Dreizehntes Hamburger Forum
Vorinsolvenzliche Unternehmenssanierung nach neuem Recht (SanInsFog)
Am 12. März 2021 veranstaltete das Institut für Unternehmens- und Kapitalmarktrecht (IUKR) das dreizehnte Hamburger Forum zum Gesellschaftsrecht. Die Referentinnen trugen zu aktuellen Fragen der vorinsolvenzlichen Unternehmenssanierung nach dem am 1. Januar 2021 in Kraft getretenen SanInsFoG vor. Im Fokus der Veranstaltung standen das Verfahren nach StaRUG sowie die reformierten Insolvenzgründe.
Der geschäftsführende Direktor des IUKR, Prof. Dr. Thilo Kuntz, LL.M. (University of Chicago), eröffnete das Forum, das aufgrund der Pandemie erstmalig virtuell stattfand, mit einer Begrüßung und einer kurzen Einführung in das Thema.
Der erste Referent des Tages war Dr. Lars Westphal, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP in Hamburg. Sein Vortrag behandelte die Begriffe der Überschuldung und der drohenden Zahlungsunfähigkeit nach den §§ 18, 19 InsO n.F. ein. Dabei kam zunächst die fortwährende Kritik am Überschuldungsbegriff durch Wissenschaft und Praxis zur Sprache. Die nun erfolgten Änderungen sähen sich ebenfalls Kritik ausgesetzt. Dr. Westphal kritisierte, der verkürzte Prognosezeitraum (nun fixiert auf 12 Monate) nach § 19 Abs. 2 InsO n.F. konterkariere die eigentliche Absicht des Gesetzgebers, Anreize zu einer frühen Insolvenzantragstellung zu setzen. Dass die Zeiträume der Prognosen unterschiedlich sind (24 Monate bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit), sei nicht sachgerecht. Zwar erreichten die Neuregelungen der §§ 18, 19 InsO nun eine klare Abgrenzung zwischen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung; gleichzeitig würden allerdings auch neue Frage aufgeworfen. Letztlich habe der Gesetzgeber aber die Chance verstreichen lassen, den Überschuldungstatbestand insbesondere aufgrund seiner geringen praktischen Relevanz und der fehlenden Justiziabilität gänzlich abzuschaffen.
Den Vormittag schloss Prof. Dr. Markus Gehrlein, Richter am IX. Zivilsenat des BGH a.D., mit einem Vortrag zu den reformierten Zahlungsverboten und der Insolvenzantragspflicht nach §§ 15a, 15b InsO n.F. ab. Er erläuterte zunächst die Änderungen der Insolvenzantragspflicht bezüglich des Zeitraums der Antragstellungspflicht bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, die insbesondere die Sanierung im präventiven Restrukturierungsrahmen oder in der Eigenverwaltung ermöglichen sollen. Anschließend leitete er über zum Verbot masseschmälernder Zahlungen durch § 15b Abs. 1 InsO, der die Zahlungsverbote der §§ 64 GmbHG, 92 Abs. 2 AktG vereinheitlichte.
Nach einer virtuellen Mittagspause eröffnete Prof. Kuntz den Nachmittag und zweiten Teil des Hamburger Forums mit einem Beitrag zur Geschäftsleiterhaftung im präventiven Restrukturierungsrahmen nach § 43 StaRUG. Hierbei wies Prof. Kuntz zunächst auf den regulierungstheoretischen Hintergrund hin, wonach entgegen der traditionellen Sichtweise nicht ein Gamble for resurrection, sondern Interessenkonflikte und die Selbstbegünstigung von Geschäftsleitern der wesentliche Grund für die Haftungsanordnung seien. Aufgrund der Fortführungsperspektive gäbe es im Fall der drohenden Zahlungsunfähigkeit keinen allgemeinen Vorrang der Gläubigerinteressen, weshalb die Streichung der §§ 2, 3 StaRUG des Regierungsentwurfs in der damaligen Fassung grundsätzlich zu begrüßen sei. Die drohende Zahlungsunfähigkeit führe allerdings zu einer Modifikation der Treuepflichten, die sich ab diesem Zeitpunkt auf die Gläubiger erstrecken würden. Zur Untermauerung seiner Thesen führte Prof. Kuntz rechtsvergleichende Beispiele aus der Common Law-Rechtsprechung ins Feld. Anschließend erklärte Prof. Kuntz das Verhältnis von § 43 StaRUG zu der verbandsrechtlichen Haftungsanordnung und stellte hierbei vor allem fest, dass der Restrukturierungsrahmen den Geschäftsleitern zwar ein allgemeines unternehmerisches Ermessen, aber nicht den sicheren Hafen der Business Judgment Rule zubilligt. Er kritisierte, dass es vor Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache eine unsichere Rechtslage gäbe und plädierte für eine analoge Anwendung von § 43 StaRUG auf diesen Zeitraum. In der sich anschließenden Diskussion warf Dr. Westphal unter anderem die Frage auf, wie weit diese analoge Anwendung gehen kann, da vor allem bei privaten Gesellschaften die Mitglieder häufig Maßnahmen zustimmten, welche die Gläubigerinteressen vollständig vernachlässigen und damit eigentlich haftungsträchtig seien. Prof. Kuntz erwiderte hierauf, dass diese Weisungen der Gesellschafter in einem solchen Fall rechtswidrig wären. Die Begründung hierfür sei zwar schwierig, da solche Weisungen grundsätzlich eine Entlastungswirkung entfalten. Der Rechtsvergleich zeige allerdings, dass dem mit einer Modifikation der Treuepflichten beizukommen sei.
Den Teil zum StaRUG ergänzte Sylvia Fiebig, Rechtsanwältin und Partnerin bei der Kanzlei White & Case LLP in Hamburg, um einen Beitrag aus der Praxis. Im Umgang mit dem StaRUG-Verfahren ergäben sich eine Reihe praktischer Probleme, die insbesondere zusammenhängen mit dem zeitlich eng getakteten Ablauf des Verfahrens. Außerdem bestünde eine große Informationsasymmetrie zwischen dem Schuldner und den Planbetroffenen, die das StaRUG toleriere. Der in § 39 StaRUG enthaltene Amtsermittlungsgrundsatz kollidiere mit der allgemeinen Vorgabe, dass das StaRUG-Verfahren ein schnell durchzuführendes Verfahren sein soll. Auch sei der allgemeine Umgang mit dem StaRUG durch die Gerichte noch sehr unterschiedlich.